Nachruf Heidi Brettschneider
„Komm doch einfach mit, sie ist toll und es macht richtig viel Spaß!“.
Das waren die Worte mit denen mich meine Schwester Angelika eines Montags mit in den großen Gemeindesaal nahm, zur Chorprobe der Good News Gospelsingers.
Und so stand ich nun da, ein kleines Mädchen, 11 Jahre alt, an die Hand meiner Schwester geklammert, ängstlich, nicht ahnend wie sie reagiert, die Chorleiterin, der gleich vorgeschlagen wird, dass ein Kind in einem Chor mitsingen soll in dem sonst nur Erwachsene waren.
„Das ist meine Schwester Regina, sie singt so gerne und möchte gerne bei uns mitsingen“ hörte ich sie noch sagen und ich hob meinen Kopf, um Heidi in die Augen zu schauen, darauf wartend, dass mir gesagt wird ich sei noch zu klein oder nicht gut genug für den Chor…
…aber weit gefehlt, ich sah auf in ein strahlendes Gesicht und alle Angst war plötzlich wie weggelöscht. Heidi lächelte mich strahlend an: „Na klar, schau doch ob es dir gefällt. Setz´ dich neben deine Schwester und dann singst du einfach mal mit!“.
Und in diesem Moment war nicht nur meine Angst wie weggelöscht, sondern auch meine Neugierde und ein Ehrgeiz geweckt dort mitsingen zu dürfen - mein Beginn bei den Good News Gospelsingers, mein Beginn für eine wunderbare musikalische Reise, auf der ich nicht allein war.
Egal ob klein ob groß, egal ob jung oder alt, von der Künstlerin bis zum Rechtsanwalt – ein bunt zusammengewürfelter Haufen mit einem gemeinsamen Interesse: Singen!
Und so individuell und unterschiedlich jeder Einzelne auch war, an den Chorproben und Auftritten waren wir alle durch ein unsichtbares Band verbunden und verschmolzen zu einer untrennbaren Gemeinschaft. Gehalten und geführt von Heidi haben wir uns in die Herzen der Zuhörer gesungen.
Ob klein angefangen in unserer Heimatkirche in Zabo, im nahen Umkreis, in den Nachbargemeinden oder auch auf Konzerten außerhalb und Tourneen die uns weit über die Grenzen Bayerns hinausgeführt haben – eine unglaubliche Reise, die wir da gemeinsam bestritten haben. Eine Reise voller wunderbarer Erfahrungen und Momenten und immer vorne dran „unsere Heidi“ - Heidi, die unseren Chor 19 Jahre lang geprägt und zu Höchstleistungen angespornt hat.
Ihr Lachen – ansteckend.
Es kam von Herzen und traf einen direkt ins Herz. Man musste einfach auch fröhlich sein.
Ihre Sprüche – unvergesslich.
Sie aus dem Kontext zu reißen und hier zu zitieren würde die Wirkung einfach verfehlen. Aber ich bin mir sicher, jeder der sie gekannt hat und sich zurückerinnert findet sein persönliches Highlight. Herzlich, ehrlich, einfach direkt aus der Seele.
Ihr Strahlen – legendär.
Und nur für sekundenbruchteile unterbrochen, wenn wir im Konzert mal so völlig daneben gesungen haben und ihr strahlender Gesichtsausdruck einer verwirrt, überraschten Grimasse gewichen ist. Den Zuhörern verborgen, uns Chorsängern aber eindeutig zeigend, dass da grad was nicht so geklungen hat wie es hätte klingen sollen wurden wir von ihr weiter dirigiert und wieder zu den richtigen Tönen zurückgeleitet.
Ihre Ausdauer– unerschöpflich.
Bis wir ein Lied endlich so drauf hatten wie sie es sich vorgestellt hat wurde geübt und geübt. Selbst wenn nach dem gefühlten 1000sten Mal wo wir die gleichen 3 Takte in Dauerschleife immer und immer wieder geübt haben, schon alle quasi „unter den Stühlen lagen“, man musste einfach weiter machen bis es gepasst hat. Man wollte es selbst, man wollte es für sie und für den Chor. Es sollte einfach jeder Ton genau klingen und stimmen.
Ihre Projekte – unglaublich.
Wer traut es sich schon mit einem Laienchor, bei einer Probe wöchentlich, Stücke wie „Our Father in Heaven“ von Ralf Grössler oder „Magnificat“ von John Rutter einzuüben – um nur einen winzig kleinen Auszug zu nennen. Heidi hat es geschafft!
All das was sie ausgemacht hat, macht sie für einen jeden der sie gekannt hat unvergesslich.
Die Chor- und Kirchenmusik war nicht nur ihr Beruf – sie war ihre Berufung.
Und was ist aus dem kleinen, 11-jährigen Mädchen geworden?
Ich bin musikalisch mit Heidi groß geworden. Sie hat mich musikalisch geprägt wie kaum ein anderer.
Und selbst als ich eine Zeit lang nicht im Chor mitsingen konnte – als ich wieder einsteigen wollte wurde ich mit offenen Armen empfangen. Ich durfte wieder „nach Hause“ kommen und wurde herzlich aufgenommen.
Ich durfte mich als Solistin vor den Chor stellen und sie hat mir sogar das Vertrauen geschenkt, dass ich vertretungsweise für den Chor das Einsingen und irgendwann sogar auch ab und zu mal eine Probe leiten durfte, wenn einer der äußerst seltenen Fälle eingetreten ist, wo sie mal nicht da war.
Ein Urvertrauen, dass Heidi mir da zu Teil hat werden lassen, in dem ich wachsen konnte.
Und so war ich zugegeben ein wenig traurig, als sie sich ihren Wunsch erfüllte und die Stelle als Dekanatskantorin in Hersbruck annahm, denn es bedeutete auch, dass die gemeinsame Reise mit den Good News Gospelsingers beendet war.
Aber ich habe in Heidi nicht nur eine Chorleiterin gehabt. Heidi war eine Freundin – war wie eine Schwester für mich. Eine Verbindung, die auch neben dem Chor gewachsen ist und die bis zum Schluss herzlich und vertraut war.
Und diese Verbindung ließ mich für sie auch unendliche Freude empfinden, dass sie die neue Stelle in Hersbruck bekommen hat. Eine Stelle, die für sie einfach wie geschaffen war, die sie einfach verdient hatte – damals noch nicht ahnend, dass sie diesen Traum nicht mehr allzu lange leben durfte.
Das kleine 11-jährige Mädchen ist nun 33 Jahre alt und ich stelle beim Schreiben dieser Zeilen fest, dass Heidi 2/3 meines Lebensweges mit mir gegangen ist. Eine Zeit, die ich im Herzen trage, ein Kapitel in meinem Leben, in das ich immer wieder gerne hineinlese.
Sie hat nie den Glauben und das Vertrauen in ihre Chöre verloren – egal wie schwer das Stück auch war und sie hat nie das Vertrauen und den Glauben an Gott verloren hat – egal welch schweren Weg er ihr vor allem zum Schluss auch gewiesen hat.
Sie hat nie ihr Strahlen verloren.
„Ein strahlendes Licht ist erloschen“.
So hat uns ihr wunderbarer Mann Jürgen die traurige Nachricht mitgeteilt, dass Heidi ein letztes Mal eingeschlafen ist.
Unser Glaube sagt uns aber, dass mit diesem „Erlöschen“ ein neues Leben beginnt.
Und liebe Heidi, ich glaube fest daran, dass ich irgendwann wieder bei dir im Chor singen werde!
Erloschen – für die Augen sichtbar, vielleicht.
Ich für meinen Teil kann nur sagen: Ihr strahlendes Licht trage ich in meinen Herzen weiter und dort wird es niemals erlöschen.
Ich möchte mit Zeilen aus einem Lied von Reinhard Mey enden:
Dein Name wird mich begleiten,
Deine Stimme, dein Gesicht,
Dein Lächeln hab' ich tief in mein Gedächtnis geprägt,
Es wärmt mich in dunk'len Zeiten
Und es leuchtet wie ein Licht
Auf den Straßen, wenn mir kalt der Wind entgegenschlägt!
Deine Regina